Der Samenleiter (lat. ductus deferens) ist ein jeweils rund 3 bis 4 mm dicker und etwa 50 cm langer Muskelschlauch, der zum Transport der Spermien dient. Er verbindet auf beiden Seiten jeweils die Nebenhoden mit dem Harnleiter. Als Teil des Samenstranges durchzieht er von den Nebenhoden aus zunächst den Leistenkanal, verläuft entlang der Harnblase und mündet im Bereich des Samenhügels (lat. Colliculus seminalis) in die Harnröhre.
Die Entzündung des Samenleiters kann unterschiedliche Ursachen haben und wird auch als Deferentitis bezeichnet. Diese schmerzhafte Erkrankung tritt in der Regel nicht isoliert auf und ist meist eine Folge einer bereits bestehenden Infektion des männlichen Genitalbereichs. Grundsätzlich können unterschiedliche Faktoren zur Entstehung einer Samenleiterentzündung beitragen.
Samenleiterentzündung (Deferentitis): Häufige Ursachen
Als Verursacher können unterschiedliche Erreger verantwortlich sein, beispielsweise:
- E. coli Bakterien (Escherichia coli)
- Chlamydien
- Enterokokken
- Staphylokokken
- Mykoplasmen
- Trichomonien
- Treponemen
- diverse Virenstämme (Masern, Mumps, Röteln)
Die Erreger können durch unterschiedliche Vorerkrankungen in die Samenleiter gelangen und dort eine Infektion auslösen. In den meisten Fällen entsteht die Samenleiterentzündung als Folgeerkrankung nach einer Vorinfektion von Hoden, Harnröhre und/oder Prostata, zudem sind andere Ursachen möglich.
Hodenentzündung
Diese Erkrankung gilt als häufigste Ursache für eine Samenleiterentzündung. Eine Entzündung der Hoden (Orchitis) geht meist auf eine bakterielle Infektion zurück und entsteht in vielen Fällen als Folge einer Harnröhrenentzündung (Urethritis) oder einer Prostataentzündung (Prostatitis). Eine Nebenhodenentzündung (Epididymitis) verursacht ähnliche Beschwerden wie die Orchitis, auch die Behandlung beider Erkrankungen ist identisch. Prostata und Harnröhre sind eng mit Samenleitern und Hoden verbunden, daher können Erreger leichter in diese Bereiche vordringen. In selteneren Fällen können auch Viren wie Masern-, Mumps- oder Rötelnviren für die Erkrankung verantwortlich sein.
Bei fortgeschrittener Erkrankung gelangen die Erreger über die Blutbahn in den Genitalbereich und rufen hier entsprechende Entzündungsreaktionen hervor. Weitere Varianten der Hodenentzündung können eine durch rheumatische Vorerkrankung verursachte Hodenentzündung(Orchitis rheumatica)oder die granulomatöse Orchitis sein. Letztere tritt in erster Linie bei älteren Männern auf und wird vermutlich durch Autoimmunprozesse ausgelöst.
Geschlechtskrankheiten
Nicht selten kann eine Entzündung des männlichen Genitalbereichs auch als Folge einer Geschlechtskrankheit auftreten. Insbesondere Harnröhrenentzündungen entstehen beim Mann häufig durch die Infektion mit sexuell übertragbaren Erregern, die über die Samenleiter in die Hoden gelangen und Entzündungsreaktionen verursachen. Möglich ist die Samenleiterentzündung daher auch als Folgeerkrankung von Gonorrhoe (Neisseria gonorrhoeae), Chlamydien, Candida-Pilzen, Herpes genitales und anderen Geschlechtskrankheiten.
Operative Eingriffe
Nach einer Operation besteht ein geringes Risiko für die Entstehung einer Samenleiterentzündung. Als größter Risikofaktor gilt diesbezüglich die Vasitis nodosa als Folge einer Vasektomie. Bei diesem Eingriff durchtrennt der Chirurg die Samenleiter und verschließt im Anschluss die losen Enden. Hier kann es zu einer Entzündung des Samenleiters kommen, die auch als Vasitis nodosa bezeichnet wird. Durch eine Verdickung der obersten Hautschicht (Epithel) und der Samenstrangmuskulatur entstehen kleine Knötchen (Spermagranulome).
Austretende Spermien rufen im Gewebe eine Entzündungsreaktion hervor, meist verursacht diese Form der Samenleiterentzündung jedoch keine Schmerzen oder andere Symptome. Häufig fällt sie erst auf, wenn eine Vasektomie wieder rückgängig gemacht werden soll.
Symptome einer Samenleiterentzündung
Charakteristisch für die Entzündung der Samenleiter sind starke Schmerzen, die sich in unterschiedlicher Form zeigen können. Insbesondere beim Wasserlassen leiden viele Betroffene unter stechenden Schmerzen oder einem unangenehmen Brennen. Folgende Symptome können auftreten:
- Schmerzen beim und/oder nach dem Wasserlassen
- Schmerzen beim Geschlechtsverkehr
- Schmerzen in der Leistengegend
- Hodenschmerzen
- Vermehrter Harndrang
- Schmerzen im Bereich der Prostata
- Schwellungen an den Geschlechtsorganen
- Schwellungen im Leistenbereich
- Weißlicher Ausfluss
Häufig beschränken sich die Schmerzen nicht auf eine bestimmte Region und denen sich über den gesamten Genitalbereich sowie die Leistengegend aus. Die Ausdehnung der starken Schmerzen ist meist abhängig von der Ursache der Entzündung, daher sind in vielen Fällen auch Hoden, Harnröhre und Prostata betroffen. Bei den meisten Patienten zeigen sich erst relativ spät entsprechende Symptome. Meist kommen zu einer bereits seit längerer Zeit bestehenden Entzündung noch unspezifische Anzeichen wie allgemeines Krankheitsgefühl oder Unwohlsein hinzu. Treten plötzlich hohes Fieber und Schüttelfrost auf, sollten Betroffene umgehend einen Arzt aufsuchen.
Vorsicht! Wenn eine isolierte Samenleiterentzündung vorliegt, treten meist Schmerzen und Schwellungen in der Leistengegend auf. Dies kann leicht mit den Symptomen einer Leistenhernie verwechselt werden.
Diagnose bei Deferentitis
Treten entsprechende Symptome auf, sollten sich betroffene Männer unmittelbar an eine urologische Fachpraxis wenden. Der Urologe nimmt zunächst eine Anamnese (Patientenbefragung) vor und erkundigt sich nach den aufgetretenen Symptomen. Von Interesse sind diesbezüglich insbesondere die Art der Schmerzen sowie die betroffenen Regionen. Damit der Mediziner ein umfassendes Bild erhält und mögliche Krankheitsursachen lokalisieren kann, sollten Betroffene bei diesem Gespräch genau auf bestehende Vorerkrankungen und mögliche Infektionsvorgänge hinweisen. Nach der eingehenden Befragung folgt eine körperliche Untersuchung des Patienten.
Zunächst tastet der behandelnde Arzt Samenleiter und Hoden auf mögliche Schwellungen ab. So kann er zusätzlich zum geschwollenen Samenstrang auch weitere Begleiterscheinungen oder Ursachen wie eine Hoden- oder Prostataentzündung lokalisieren. Mittels Ultraschall lassen sich bestehende Entzündungsprozesse zusätzlich bildlich darstellen. Die meisten Urologen nehmen weiterhin labortechnische Untersuchungen vor und testen Abstriche, Blut und/oder Urin auf mögliche Erreger. Blut- und Proteinanteile im Urin geben zudem Einblick, wie weit die Entzündung bereits fortgeschritten ist. Um eine Leistenhernie zuverlässig ausschließen zu können, ist im Zweifelsfall auch eine Computertomografie (CT) möglich.
Behandlung der Samenleiterentzündung
Eine umfassende Diagnostik ist unverzichtbar, um die richtige Behandlung der Entzündung vornehmen zu können. Wurde ein bestimmtes Bakterium identifiziert, wird der Urologe das passende Antibiotikum verordnen. In den meisten Fällen kommen hier Standard-Antibiotika wie Penicillin, Cephalosorin oder Cotrimoxazol zum Einsatz, die in der Regel gut anschlagen. Eine Antibiotikabehandlung bekämpft gezielt die bakteriellen Erreger und dämmt deren Ausbreitung ein. Die Dauer der Behandlung hängt davon ab, wie ausgeprägt die Entzündung ist und welche Bereiche betroffen sind. Es kann jedoch durchaus zu einem verzögerten Heilungsprozess kommen, beispielsweise wenn zusätzlich die Prostata betroffen ist.
Ein Antibiotikum ist jedoch nur bei einer bakteriellen Infektion das Mittel der Wahl. Liegen andere Ursachen für die Entstehung einer Samenleiterentzündung vor, wird der Mediziner jeweils passende Therapieformen wählen. Wurde die Entzündung durch eine Pilzinfektion verursacht, kommen Antimykotika zum Einsatz. Bei Chlamydien oder Mykoplasmen verordnen Mediziner meist Tetracyclin und bei Trichomonaden ist meist eine Behandlung mit Metronidazol vorgesehen.
Spermagranulome verursachen meist keine oder nur geringe Beschwerden. Sie sind in den meisten Fällen im Bereich des oberen Hodenbereichs tastbar und bilden sich häufig nach einiger Zeit von selbst zurück. Warme Umschläge oder Bäder können leichtere Beschwerden lindern und zusätzlich ist die Einnahme von Ibuprofen zur Schmerzbehandlung empfehlenswert. Wenn die Beschwerden über längere Zeit bestehen und sich nicht bessern, kann möglicherweise ein operativer Eingriff sinnvoll sein.
Weitere Therapiemaßnahmen
Zur Linderung der Schmerzen können zusätzlich Schmerzmittel wie Ibuprofen eingenommen werden, die zudem bei der Eindämmung des Entzündungsprozesses helfen können. Schonung ist ein wichtiger Faktor, um Schmerzen und weitere Reizungen möglichst zu vermeiden. Meist empfehlen die behandelnden Ärzte, während der Behandlung auf den Geschlechtsverkehr zu verzichten. Durch die Entzündungsprozesse kann die Temperatur im Genitalbereich leicht erhöht sein, eine angemessene Kühlung mittels Kühlpacks ist durchaus empfehlenswert und kann die Schmerzen etwas lindern.
Grundsätzlich ist eine gute Intimhygiene wichtig, um die Ansiedlung neuer Keime zu vermeiden. In den meisten Fällen genügt die tägliche Reinigung mit klarem Wasser und sanfter Seife.
Begleitend zur Antibiotikabehandlung kann zusätzlich eine Einnahme homöopathischer Mittel erfolgen. Diese sollen sich schmerzlindernd auswirken und den Heilungsprozess unterstützen. Bei Männern mit gesundheitlichen Problemen im Genitalbereich wird beispielsweise häufig das Mittel Pulsatilla pratensis empfohlen. Heilpraktiker empfehlen häufig bestimmte Heilkräuter, die bei Entzündungen Linderung verschaffen sollen und als Tee verabreicht werden. Dazu zählen beispielsweise:
- Mönchspfeffer
- Guajak
- Sägepalme
- Kuhschelle
- Wacholder
- Rot-Zeder
Guajak und Rot-Zeder wird insbesondere bei Samenleiterentzündungen aufgrund einer Gonorrhoe-Erkrankung eine positive Wirkung zugeschrieben. Wacholder kann auch als heilsames Sitzbad zum Einsatz kommen. Wichtig: Um Komplikationen zuverlässig zu vermeiden, sollte bei bakteriellen Entzündungen grundsätzlich eine Antibiotikabehandlung erfolgen. Die homöopathischen Mittel und Heilpflanzen können zusätzlich zum Einsatz kommen, sollten jedoch keinesfalls als Alternative zu der vom Arzt verordneten Medikation angesehen werden.
Prognose und mögliche Folgen
Zur Prophylaxe ist eine gute Hygiene empfehlenswert, um die Gefahr einer Infektion mit Erregern zu minimieren. Die schmerzhafte Entzündung der Samenleiter ist in den meisten Fällen gut behandelbar und verheilt bei richtiger Behandlung ohne bleibende Schäden. Aufgrund der starken Schmerzen suchen die meisten Betroffenen rechtzeitig einen Arzt auf, der die entsprechende Behandlung in die Wege leitet. Antibiotika, Schmerzmedikamente und Entzündungshemmer sorgen im Regelfall für eine folgenlose Abheilung der Entzündung. Unterbleibt jedoch eine Behandlung der Samenleiterentzündung oder schlägt die Antibiotikatherapie nicht an, kann dies im schlimmsten Fall zu ernsten Komplikationen führen.
Bei chronischem Verlauf einer Deferentitis kann es zu starken Schäden an den Samenleitern kommen. Durch Verklebungen und Verwachsungen des Weichteilgewebes wird die Funktion des betroffenen Samenleiters zunehmend eingeschränkt und in der Folge droht die Unfruchtbarkeit. Eine weitere Gefahr ist die Ausbreitung der Infektion auf angrenzende Organe des Genitaltraktes. Wenn sich die Prostata entzündet, drohen zusätzliche Spätfolgen wie Erektionsstörungen, hormonelle Probleme und Verlust der Libido.
Wenn sich Erreger abkapseln, kann es zur Abszessbildung kommen. Gelangen die Erreger in die Blutbahn, droht eine gefährliche Urosepsis. Bakterien aus dem Urogenitaltrakt rufen eine Infektion hervor und verursachen eine Sepsis (Blutvergiftung).
Samenleiterentzündung: Das Fazit
Treten Schmerzen und Symptome auf, die auf eine Samenleiterentzündung schließen lassen, sollten sich betroffene Patienten schnellstmöglich an einen Urologen wenden. Bleibt die Erkrankung unbehandelt, kann dies im schlimmsten Fall zu ernsten Komplikationen führen. Wird die Entzündung behandelt, heilt sie meist in relativ kurzer Zeit folgenlos ab.